In der Abschiedszeitung zum Ende unserer Schulzeit hatten mich meine Klassenkameradinnen mit dem Erkennungszeichen: „Wer kann sich gleich mir rühmen, von der Muse geküsst worden zu sein“ verewigt.
Ein bisschen ironisch war das wohl auch gemeint. Aber treffend. Denn beim Schreiben von Geschichten, Gedichten, Theaterstücken und bei kleinen Kompositionen, aber auch beim Zeichnen und Malen war ich während meiner gesamten Schulzeit sozusagen federführend in unserer Klasse.
Meine Lehrerinnen förderten meine Begabungen und Interessen. Meine Eltern ließen mich gewähren, hatten aber so kurz nach dem Ende des Krieges ganz andere Sorgen, als meine Ambitionen zu unterstützen. Den Krieg hatte unsere Familie in Berlin überlebt, wo ich 1941 auf die Welt gekommen war.
Wie viele meiner Altersgenossen kannte ich kein anderes Leben als das, was uns der Krieg in der Stadt gelassen hat. Meine Mutter soll ich schon früh mit meiner unbändigen Wissbegier und meinen bohrenden Fragen nach dem, was hinter den Fassaden und immer tiefer dahinter verborgen ist, genervt haben. Daran erinnere ich mich nicht.
Im Nachhinein mag sich ein Zusammenhang auftun, weshalb sie sehr früh meine Leselust unterstützt hat. Weil die Auswahl an Büchern zu jener Zeit zwangsläufig eher bescheiden war, habe ich die erreichbaren immer wieder gelesen. In Erinnerung ist mir mancher Ärger geblieben, den ich bekommen habe, weil ich darin so tief abgetaucht war, dass ich die Welt um mich herum total vergaß.
Später bestimmten Beruf und Familienplanung meinen Zeitplan. Immer aber ist da die Lust geblieben, wieder zu schreiben. Als der 1. Kreisbeigeordnete und Sozialdezernent Willi Lehmann im Jahr 1994 den Vorschlag machte, für den damaligen Landkreis Pirmasens eine Seniorenzeitung herauszugeben, sagte ich ja zur Mitarbeit.
Seitdem arbeite ich im Redaktionsteam vom „Herbstwind“, wie wir unsere Senioren – Zeitschrift genannt haben. Die Printausgabe erscheint zweimal im Jahr, immer im Mai und November. Hier schreiben Senioren für Senioren über alles, was für diese wissenswert oder unterhaltsam ist.
Ein gutes Fundament für journalistisches Schreiben habe ich in den Anfangsjahren in mehreren mehrtägigen Seminaren bekommen. Gefördert wurde die Ausbildung damals durch die Landesregierung und den Landkreis. Leider geschieht das heute nicht mehr.
Altersbedingt haben sich über die Jahre die Reihen der RedaktionsMitglieder nach und nach gelichtet. Heute sind nur noch Willi Lehmann und ich vom alten Stamm übrig geblieben. Aber immer wieder sind neue und jüngere Redaktionsmitglieder mit neuen Ideen dazu gekommen und haben dazu beigetragen, dass das Bestehen vom „Herbstwind“ gesichert ist und er mit der Zeit geht.
Auch in dieser im Jahr 2012 auf Initiative und mit Unterstützung der Kreisvolkshochschule eingerichteten Online-Ausgabe vom „Herbstwind“ arbeite ich im Redaktionsteam mit.
Ein – drücke
Die gute alte Zeit, an die wir uns erinnern, war eigentlich eine, die wir eher in die Kategorie „Schlechte Zeiten“ einstufen würden. Im Rückblick und verglichen mit den heutigen „Guten“ Zeiten zeigt sich, dass die nicht ohne Einschränkungen als segensreich empfunden werden. Wir erinnern uns, dass es in den schlechten Zeiten von damals auch manches gab, was gut war und was wir heute vermissen. Auch wenn sich wohl niemand wünscht, dass sie wiederkommen…
Über Gefühle spricht man nicht
Über die eigenen Gefühle zu sprechen, fällt den meisten alten Menschen schwer. Zu sehr ist diese Generation geprägt von ihrer Erziehung zur Härte und den Erlebnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit mit der Sorge und dem Kampf ums Überleben. Gefühle wurden weitgehend unterdrückt, man ging zur Tagesordnung über und musste seine Pflicht tun. Die individuellen Erfahrungen von Grauen, Leid und Entbehrungen, die kaum von jemand anderem nachvollzogen werden können, haben tiefe Einschnitte hinterlassen und ihr Leben bis heute geprägt…