Genug

Ein Gedicht von Dagmar Voigtländer

Wie viele Tränen sind genug geweint?
Wann hört das auf, dass ich aus heiterem Himmel
an dich denke und es tut einfach nur so weh ?
Wann heilt die Zeit die Wunden?

Das Weinen dauert jetzt nicht mehr so lange,
mir wird wohl schneller klar, dass es nichts nutzt.
Außer geschwollenen Augen, zu vielen Zigaretten
und zu viel Rotwein, keine Veränderung.

Ich nehm mir immer vor, tapfer zu sein.
Das Klageweib, mutlos, hysterisch und am Rande,
dieses Bild seh ich und ich mag es nicht.
Das haben du und ich nicht zusätzlich verdient.

Es wäre so viel einfacher, wenn ich an diesen einen,
den liebenden, gerechten, alten Mann noch glauben könnte.
Aber er hat dich einfach sterben lassen, genau wie ich,
wusste und konnte er es nicht besser, der Idiot.

Fast jeder Tag hat irgendwo versteckt ein „Nie mehr“
Nie mehr ums kochen streiten, nie mehr küssen,
nie mehr dir abends sagen, dass ich dich lieb hab,
nie mehr die Antwort hören, ich dich auch.

In meinem Kopf sammeln sich alle meine Tränen
zusammen mit denen, die um andere geweint,
in einem großen dunkelgrünen Stausee,
mit Trauerweiden drumherum, weil das gut passt.

Und kämen Spaziergänger vorbei, sie würden sagen
schau, so ein tiefer, verwunschner See,
vielleicht ein wenig traurig aber so idyllisch,
schau dir die Trauerweiden an, wie sie sich fast ertränken!

Dann hätten all die Tränen, die ich und andere so weinen
endlich und tröstlich für uns alle einen Sinn.
Und dass ich über meine Tränen schreibe,
wär ein Gedicht und nicht vertane Zeit.

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