Und hier mal eine nette Geschichte von unserem Autor Norbert Labenheim:
An der Südspitze von Portugal liegt die Bucht Baleeira. Hier verschmelzen mehrere Orte miteinander zusammen und sind kaum voneinander zu erkennen. Man weiß nie so genau wo man sich aufhält. Es sei denn man ist Einheimischer und noch Fischer dazu, dann hat man die gesamte Gegend im Griff.
In dieser Bucht gibt es noch einige Fischer, die vom Fischfang leben müssen. So auch der Fischer Manuel mit seiner Familie. Es ist Sonntag, Manuel und seine Familie kommen vom Kirchgang nach Hause. Die Sonne scheint von einem marineblauen Himmel herunter. Ein toller Sonntag, denkt Manuel. Seine Frau, Isabel, mit der Tochter, Nayara, was übersetzt soviel wie „Wanderin“ heißt, befinden sich im Innern der Hütte und bereiten das Mittagessen vor. Manuels Sohn, Rafael, kontrolliert das Boot und die Fangnetze. Morgen wollen sie sehr früh raus fahren zum Fischen, das schöne Wetter soll noch einige Wochen so anhalten. Sagen es wenigsten die Wetterfrösche in den Medien. Nach einiger Zeit rufen die beiden Frauen die, Männer zum Mittagessen. Alle nehmen ihren Platz ein, sie falten die Hände und Manuel beginnt das Tischgebet zu sprechen. Heute gibt es mal keinen Fisch, sondern weil es ein besonderer Sonntag ist eingelegtes Rindfleisch speziell gebraten. Heute hat Rafael Geburtstag und das begeht man feierlicher als sonst.
Nach dem Mittagessen spazieren Manuel und Juan an den nahen Strand. Beide setzen sich an einem Steg nieder. Manuel raucht seine Sonntagspfeife, die raucht er nur sonntags. Denn Manuel ist, über die ganze Woche hin, Nichtraucher. Die beiden Männer unterhalten sich über Gott und die Welt. Sie grüßen vorbeigehende Leute und erwidern auch den Gruß der Fremden. Rafael drängt seinen Vater, aus der jetzt heißer werdenden Sonne, in den Schatten an der Hütte zu gehen. Manuel nickt kurz mit dem Kopf, legt die rechte Hand vor die Augen und schaut über das ruhige Wasser der Bucht von Baleeira. Es ist März und die Sonne steht jetzt hoch über dem Äquator, in der Sonne ist es jetzt viel zu heiß geworden, um sich darin aufzuhalten. Manuel ruft nach seinem Sohn und deutet mit der Hand auf die leichte Brandung. Beide schauen verwundert und zweifelnd auf das Meer. Rafael fragt den Vater: „Ist das ein Pinguin?“ Manuel hebt beide Schultern hoch und antwortet: … „ja es sieht ganz danach aus, Rafael!“ War die Antwort vom Vater. Beide laufen runter an den Strand der Bucht und beobachten den kleinen schwarzen Fleck des jetzt gerade auf sie zu geschwommen kommt. Schwimmen? Schwimmen kann man das nicht nennen, das ist eher ein hilfloses treiben im Meer! Bemerkt Manuel, mit seinem klaren Blick zu dem hilflosen Geschöpf. Der schwarze Fleck ist jetzt schon so nahe, dass sie das Tier erkennen und greifen können. Ja, es ist ein Pinguin, ein Brillenpinguin, stellt Vater Manuel sofort fest.
Manuel hebt das erschöpfte Tier aus dem Wasser und stellt fest: der Pinguin ist ja total mit Öl verschmiert, der konnte gar nicht bis hierher schwimmen. Der wurde einfach angeschwemmt, wie Treibgut! Manuel zieht sein Hemd aus und legt es um den geschwächten Pinguin. Dieser bewegt sich überhaupt nicht, das Tier ist total erschöpft. Die beiden Männer eilen zu der Hütte, wo die Frauen noch in der Küche beim Arbeiten sind. Starr schaut Isabel auf ihren Mann und das kleine Bündel das er in seiner kräftigen Hand hält. „Was ist passiert? Fragt Isabel und schaut beide Männer abwechselnd an. „Frau, ich brauche warmes Wasser, Seife und einen weichen Schwamm. Ich muss das Tier von dem klebrigen und verklumpten Öl in seinen Federn befreien!“ Antwortet er seiner Frau. Beide Frauen beeilen sich dem Wunsch des Vaters nachzukommen. Nayara holt einen Wäschezuber, mittlerer Größe, und stellt diesen auf den Tisch vor der Hütte nieder. Isabel hat in der Zwischenzeit handwarmes Wasser zubereitet, um den Vogel zu reinigen. Rafael ist in einem kleinen Schuppen verschwunden der sucht die Seife. Keine gewöhnlich Seife, sondern die, die Mutter und Schwester selbst gemacht haben. Manuel wickelt den Vogel vorsichtig aus dem Hemd und setzt ihn in das lauwarme Wasser ein. Das kleine Kerlchen bewegt sich nicht, kein Mücken oder Zucken. Ganz ruhig und entspannt sitzt es in dem Zuber drin. Manuel nimmt den Schwamm, taucht ihn, in die Seifenlauge ein und reibt vorsichtig über das Gefieder des kleinen Gastes. Ganz langsam lösen Wasser und die Seife das klebrige Fett und Öl vom Gefieder. Noch zweimal muss Isabel frisches Wasser holen, dann ist das Tierchen sauber. Alle schauen gespannt zu dem Pinguin hin. Der taucht kurz seinen Schnabel ins Wasser, reckt seine kleinen Flügelchen und spritzt seine Retter nass. Alle lachen und freuen sich über die gelungene Rettung des Tieres.
Vater Manuel setzt sich den Pinguin auf sein rechtes Knie und untersucht, das Tier, ob es irgendwo – vielleicht, eine Verletzung haben könnte. Nach gründlicher Untersuchung und Abtasten seines Körpers werden keine Verletzungen festgestellt. Das Tier ist gerettet, aber sich hungrig. Rafael geht in den Keller, unter dem Haus. Dort steht ein Kühlschrank mit frisch gefangenem Fisch. Manuel greift sich eine handvoll Fische und geht nach oben. Aufgeregt schlägt der Pinguin mit seinen kleinen Flügelchen. Das hat er schon lange nicht mehr gesehen oder gefressen – frischer Fisch! Manuel hält den Pinguin mit der linken Hand fest und mit der rechten Hand reicht er dem Vogel den Fisch. Dessen Schnabel geht schlagartig auf, er packt sich den Fisch, zwei, drei mal Schlucken und der Fisch verschwindet, in seinem kleinen Kehlsack und leeren Magen des Pinguins.
Die Fischerfamilie begeht jetzt einmal den Geburtstag von Rafael, den hatte man ganz aus dem Auge verloren – der Pinguin hatte Vorrang, er war in Lebensnot! Gemeinsam sitzen alle am Kaffeetisch, nur der Pinguin steht in der Küchentür und schaut dem Treiben, das er ja nie kennengelernt hatte, einfach zu. Nach dem Kaffeetisch gehen die Männer vor die Fischerhütte und setzen sich auf der kleinen Holzbank nieder. „Du Vater,“ beginnt Rafael das Gespräch, „… wie konnte das kleine Tier diesen weiten Weg, von Namibia oder gar Südafrika, nach Portugal schaffen? Das sind ja 3000-4000 km an Seeweg für ihn gewesen“ der Vater zieht seine Stirn in Falten und antwortet: „… Rafael, das ist richtig, aber bedenken, dass auch der Golfstrom ihm zu Hilfe kam.“ Zufrieden schreitet der Pinguin über das kleine Anwesen, an der Fischerhütte, immer auf und ab. Er fühlt sich sehr wohl in seinem neuen zu Hause. Ans Ufer des Meeres aber wagt er sich nicht, noch nicht.
Am nächsten Morgen ist der Pinguin nicht aufzufinden, er ist einfach weg gegangen. Die ganze Familie ist traurig und nachdenklich, wo das Tier geblieben sein könnte? Rafael ist der Erste der den Pinguin findet, er liegt unter einem gewendeten Fischerboot und hat, schlafend, dort die Nacht verbracht. Alle sind wieder glücklich und froh, dass alles wieder in Ordnung ist. Vater Manuel bemerkt, im Kreise seiner Familie, dass es gut wäre für den gestrandeten Vogel einen Namen zu finden und einen Platz wo er sicher und ungestört sich zurückziehen kann. Ein Name für ihn ist schnell gefunden. „Amigo“ soll er gerufen werden. Alle sind einverstanden mit der Namensfindung. Manuel verschwindet im kleinen Schuppen, neben der Fischerhütte. Dort befinden sich noch einige Dinge die er jetzt braucht. Er kramt zwei alte Kisten hervor, die eine kleiner die andere etwas kleiner und er findet auch die alte Hundehütte des im vorigen Jahr verstorbenen Hofhundes. Manuel und Rafael nageln alles so zusammen, dass es wie ein Treppenaufgang zur Hundehütte geht. Ein idealer Platz für „Amigo.“ Sie polstern die Hundehütte etwas mit kleinen Zweigen und Ästchen und legen es vor und in die Hütte hinein. Aufmerksam schaut „Amigo“ zu. Nach einer Weile greif Manuel nach dem Tier und setzt es vor seinem neuen Zuhause ab. Aufmerksam betrachte „Amigo“ alles sehr genau in seiner neuen Umgebung. Nach einer kurzen Visite hüpft der Pinguin sein neues zu Hause, das ihm die neuen Freunde bereitet haben.
„Amigo“ fühlt sich in seiner Behausung pudelwohl. Jeden Morgen gibt es einen Spaziergang, am Strand entlang, und anschließend im Meer das Frühstück. So vergehen die Wochen und keiner wundert sich mehr über den Pinguin der, wie ein Hund, immer an der Seite seines Retters watschelnd. Der Sommer hat schon begonnen, viele Urlauber bevölkern den Strand. Sie bewundern den kleinen Pinguin mit seinem „Herrchen“ die jeden Tag öfters am Strand spazieren gehen. Es ist Hochsommer, alles stöhnt über die Tageshitze. Erst am Abend beginnt das Leben am Strand und in den kleinen Orten am Meer. Seit heute Morgen sucht alles nach „Amigo“, der ist plötzlich über Nacht verschwunden und niergend wo zu finden. Alle sind traurig und denken oft an den kleinen Pinguin, er wird sehr vermisst. Der Sommer geht vorbei ebenso Herbst und Winter. Bis heute hat niemand mehr den Pinguin gesehen, er ist wie vom Erdboden verschwunden. Alles rätselt wo der geblieben sein könnte. Wurde er entführt? Hat ihn ein wildernder Hund erwischt? Hat er das Weite gesucht? Fragen über Fragen und keine Antworten.
Die Fischer gingen, wie jeden Tag, ihrer Arbeit nach – zum fischen auf das Meer. Mittlerweile ist es wieder März und der Geburtstag von Rafael soll in einigen Tagen gefeiert werden. Aber niemand hatte Lust oder Liebe diesen Geburtstag zu feiern, von „Amigo“ keine Spur zu sehen. Vater Manuel und der Sohn Rafael haben gerade ihren heutigen Fang auf dem Markt an den Mann/Frau gebracht und untersuchen ihr Fangnetz auf Schäden. Die Frauen sind in der Hütte und verrichten, gemeinsam, ihre Tagesarbeit Mit einem mal kommt Leben an den Strand, alle sehen wer da aus dem Meer zum Vorschein kommt: „Amigo“ schwimmt die letzten Meter im Meer zum Strand und stolziert, mit seinen Stummelflügel wedelnd, über den Strand. Als er die beiden Männer erblickt legt er einen kleinen Kopf in den Nacken, beschleunigt seine kleinen Schritte und ruft aus lauter Kehle den beiden entgegen. Die Begrüßung fällt überschwänglich aus, nach dieser langen Zeit der Trennung. „Amigo“ begrüßt alle Mitglieder der Familien, die seine Familie geworden ist. Dann gab es viel Fisch für den kleinen Pinguin. Alle waren glücklich und zufrieden über das Wiedersehen und, dass „Amigo“ nichts passiert ist.
Hier endet nun die Geschichte über die Liebe des Pinguin, „Amigo“ zu seinen Lebensrettern. Aber einen kleinen Anhang gibt es noch: „Amigo“ besuchte noch viele Jahre den Strand im Süden von Portugal. Wo er aber genau herkam und wieder zurückkehrte wurde nicht geklärt. Das ist und bleibt das Geheimnis, bis heute, von „Amigo“, dem Brillenpinguin gehütet wird.